Der Himmel hing so tief, als wolle er weinen. Riesige Wolken zogen in grauen Formationen über den Bahnhof.
Paul hielt Annas Hand, fest, fast zu fest, so als könnte er sie damit im Hier und Jetzt verankern. Doch das Pfeifen des Zuges schnitt jede Hoffnung entzwei.
„Ich schreibe dir jeden Tag“, sagte Anna, und ihr Lächeln war sanft, aber müde.
„Bleib noch“, flüsterte er, kaum hörbar, ein verzweifeltes Kind in der Stimme eines erwachsenen Mannes.
„Du weißt, dass ich fahren muss”, erwiderte sie.
Er nickte, unfähig, mehr zu sagen. Die Sekunden dehnten sich, bis der Schaffner ungeduldig winkte. Anna löste ihre Finger aus den seinen, ließ die eine Wärme zurück, die sofort zu Kälte gefror. Sie stieg ein, drehte sich noch einmal um, und für diesen einen Moment war ihr Blick ein Versprechen: Wir werden uns wieder sehen.
Paul stand noch lange da, selbst als der Zug schon längst verschwunden war – ein schwarzer Strich am Horizont. Er fühlte, wie sich die Stille in ihm ausbreitete, die kein Geräusch mehr durchbrechen konnte.
Stunden später kam die Nachricht. Stimmen im Radio, aufgeregt, fremd, sagten Worte wie „Unglück“, „Entgleisung“, „keine Überlebenden im vorderen Wagen“. Pauls Welt zersprang in Scherben – ohne Laut, ohne Trost. Er saß am Küchentisch, den Kopf in den Händen, und rang vergeblich nach Luft, die ihn nicht erstickte.
Am Abend kehrte er zurück zum Bahnhof. Dieselben Schienen, dieselben Lampen, das gleiche metallische Echo unter den Gewölben. Doch ohne sie war es ein Ort aus Stein und Schatten. Sein Herz pochte dumpf, ein Takt ohne Zukunft.
Als die Lichter eines Zuges den Nebel durchschnitten, trat er näher an die Kante. Der Wind der Geschwindigkeit zog an seinem Mantel, und plötzlich war es, als stünde Anna neben ihm, reichte ihm die Hand. Er lächelte schwach.
„Ich komme nach“, flüsterte er. Dann trat er vor.
Der Augenblick war kurz, fast gnädig. Und in der Dunkelheit danach war da nur noch Stille.